Debatte um den Fremdsprachenfrühbeginn – Die Qualifikation von Englischlehrkräften

Seit dem Schuljahr 2004/5 sind in Deutschland alle Schülerinnen und Schüler in der Grundschule verpflichtend eine Fremdsprache zu lernen. In der Mehrheit wird Englisch als erste Fremdsprache angeboten (Ausnahme: Saarland sowie einzelne Schulen z.B. in Baden-Württemberg). Der Beginn des Englischunterrichts ist in zwölf Bundesländern in Klasse 3; im Verlauf des 1. Schuljahres beginnen zurzeit Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Relativ einig ist man sich in Deutschland, dass Englisch als die Lingua Franca die erste Fremdsprache sein sollte. Dagegen findet national als auch international eine fortlaufende Debatte um die Frage statt, wann mit der institutionellen Vermittlung der ersten Fremdsprache begonnen werden sollte. In Baden-Württemberg hatte das Bildungsministerium – gestützt auf eine Expertise eines Expertenrats unter der Leitung von Jürgen Baumert (2011) – den Fremdsprachenunterricht an Grundschulen mit Beginn des Schuljahres 2018/19 von der ersten auf die dritte Klasse verschoben. Die zwei Unterrichtsstunden, die in den ersten zwei Schuljahren zur Verfügung stehen, sollen an den Schulen zur Förderung der Deutsch- und Mathematikkompetenzen genutzt werden. Auch in Nordrhein-Westfalen wurde kürzlich eine politische Debatte über den Beginn des Englischunterrichts geführt. Anstoß war ein Antrag im nordrhein-westfälischen Landtag mit dem Titel „Englischunterricht in der Primarstufe abschaffen – Deutsch und Mathematik dafür stärken!“ (AfD-Fraktion 2017).

Mehrere aus Deutschland und weiteren Ländern konnten zeigen, dass es Kinder, die früher in der Schule mit dem Fremdsprachenlernen begonnen haben, einen Vorteil haben bzw. zu Beginn der Klassenstufe 5 höhere Testleistungen zeigen (z.B. Wilden et al., 2013), wobei hier die Frage offen ist, ob es an der längeren Lernzeit oder am Alter der Kinder liegt. Langfristig dagegen scheint es kaum Vorteile zu geben bzw. Schüler*innen holen schnell auf und erreichen schließlich das Niveau der early starters (z.B. Muñoz, 2006). Mehrere Arbeiten zeigen schließlich, dass am Ende der Grundschulzeit Aufgaben auf dem GeR-Niveau A1 oder höher von der Mehrheit umfassend bewältigt werden kann, wobei durch das Fehlen von Bildungsstandards für die Primarstufe (Erste Fremdsprache) keine einheitlichen Kompetenzstufenmodelle vorliegen.

Lehrer*innen in der Sekundarstufe I haben trotzdem oft den Eindruck, dass Schüler*innen zu wenig können (z.B Böttger, 2009). Das mag einerseits daran liegen, dass die Lehrpläne der Grundschule mehrheitlich die mündliche Sprachfähigkeit und das Verstehen fokussieren und weniger die schriftlichen Fähigkeiten, anderseits ist nicht auszuschließen, dass tatsächlich der Unterricht noch effektiver sein könnte. Umfangreiche Studien zur Unterrichtsqualität des Fremdsprachenunterricht in der Grundschule liegen allerdings nicht vor. Bekannt ist jedoch, dass in vielen Bundesländern Lehrkräfte den Englischunterricht fachfremd erteilen. Erstmals liegen dazu belastbare Zahlen für ein Bundesland vor: Ziegler et al. (2019: 130) nutzten Daten der Berliner Schulstatistik. Sie verweisen darauf, dass in Berlin 40 % des Englischunterrichts im Schuljahr 2012/13 fachfremd erteilt wurde, 2016/17 immerhin noch 32 %. Als fachfremd wurden Lehrkräfte bezeichnet, wenn Kenntnisse im Fach Englisch weder in der Erstausbildung (Studium & Referendariat) noch in der Fort-/Weiterbildung (mit Nachweis bzw. Zertifizierung) erworben haben. Als fachkonform gelten auch Lehrkräfte, die Englisch als „Kompetenzfach“ besitzen, da sie Muttersprachler*in sind. Wenig ist darüber bekannt, welche Sprachniveaus die fachfremd tätigen Lehrer*innen besitzen oder wie es ihnen gelingt, den Unterricht ohne eine systematische Fachausbildung didaktisch angemessen zu gestalten.

Referenzen:

Böttger, H. (2009). Englischunterricht in der 5. Klasse an Realschulen und Gymnasien. Eine qualitative Studie zur Behandlung der Ergebnisse des Englischunterrichts in der Grundschule im bayrischen Schulsystem. Nürnberg: Lehrstuhl für Schulpädagogik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Muñoz C. (2006). The effects of age on foreign language learning: The BAF Project. In C. Muñoz (Hrsg.), Age and the rate of foreign language learning (1-40). Clevedon, UK: Multilingual Matters, .

Ziegler, C., Richter, D. & Hartung-Beck, V. (2019). Entwicklung des Anteils fachfremden Unterrichts an Berliner Schulen. Eine Untersuchung zur Identifizierung verschiedener Verlaufsmuster. Die Deutsche Schule, Beiheft 14, 121-139.